Wasserstoff-Boot in Eigenbau: Herausforderungen clever umschifft
Hessens Top-Schüler forschten in Rüsselsheim und Bensheim

Bensheim/Rüsselsheim - Eine Strohhalmpackung als Floß, ein Plastikbeutel als Tank, die Schiffsschraube aus einer Getränkedose: Heraus kommt ein Wasserstoffboot mit Brennstoffzellenantrieb. Gebaut von den leistungsstärksten Oberstufenschülern aus ganz Hessen. Entwickelt aus drei wesentlichen Zutaten: wissenschaftlicher Kreativität, geballter Energie und unbändigem Forschergeist.
Beim 24. Erfinderlabor drehte sich in der vergangenen Woche alles um Elektromobilität. Der Schwerpunkt lag auf einer ganz besonderen Spielart: dem Brennstoffzellenantrieb. Jeweils acht Schülerinnen und Schüler haben sich in das komplexe Thema vertieft und eigenständig an neuen Lösungsansätzen geforscht. Zum 24. Mal hatte das Zentrum für Chemie (ZFC) mit Sitz in Bensheim 16 Top-Schüler kurz vor dem Abitur ins Rennen geschickt und ihnen die exklusive Möglichkeit ge-geben, sich eine Woche lang intensiv mit prominenten Zukunftstechnologien zu beschäftigen.
Finale vor 200 Gästen in Bensheim
"Ich beneide jetzt schon die Kollegen, bei denen ihr studieren werdet“, so Dr. Justus Brans vom Hessischen Wirtschaftsministerium. Er attestierte den Jugendlichen Hochschul-Niveau. Die Energiewende benötige exzellente Fachleute, so der Diplom-Ingenieur bei der Abschlussveranstaltung am Goethe-Gymnasium in Bensheim an der Bergstraße. 16 aussichtsreiche Kandidaten hatte er in dieser Woche kennengelernt. Vor rund 200 Gästen präsentierten die Schüler in vier Teams ihre Forschungsergebnisse: Sämtliche Wasserstoff-Boote waren voll funktionsfähig. Herausforderungen wurden clever umschifft.
"Ihr habt durchweg exzellent gearbeitet und eure Ergebnisse glänzend präsentiert", kommentierte Prof. Dr. Birgit Scheppat. Die renommierte Diplom-Physikerin ist Juryvorsitzende für den Innovationspreis des Deutschen Wasserstoff-Verbandes und Vorstandsmitglied der Wasserstoff- und Brennstoffzelleninitiative Hessen (H2BZ-Initiative Hessen), ein langjähriger Partner des Erfinderlabors. Am Fachbereich Ingenieurwissenschaften an der Hochschule RheinMain in Rüsselsheim haben sich die Jungforscher schnell in die Materie vertieft. Für die Schüler war der Dialog mit den Wissenschaftlern eine wertvolle Erfahrung.
Das Erfinderlabor ist das prominenteste von mehreren Bildungsprojekten unter dem Dach der Initiative "Schule 3.0", die Zukunftstechnologien in den Regelunterricht integrieren will, um jungen Leuten berufliche Perspektiven zu eröffnen. Denn noch immer fühlt sich rund die Hälfte der Schulabgänger nicht ausreichend informiert, betont Dr. Thomas Schneidermeier. Der ZFC-Vorstand ist Initiator und treibende Kraft des Erfinderlabors. Für die drei thematisch variierenden Workshops in diesem Schuljahr hatten sich rund 200 Jugendliche aus 85 Schulen mit gymnasia-ler Oberstufe beworben, wie Projektleiterin Binke Friedrich mitteilt.
"Ein hochkarätiges Angebot für hochkarätige Schüler", so Rita Flad vom Referat Gymnasien im Hessischen Kultusministerium über den Wissenschafts-Workshop. Sie riet den Schülern, sich ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften zu bewahren. Die Berufsperspektiven im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) seien hervorragend. Am Goethe-Gymnasium Bensheim werden diese Fächer schon seit Jahren groß geschrieben, wie Schulleiter Klaus Holl betonte. Das Gymnasium war zum zweiten Mal Gastgeber des Erfinderlabors.
Auch für die GGEW AG war es ein Heimspiel. Der kommunale Energiedienstleister unterstützte das ZFC erneut als Partner. Das Thema Talentförderung spielt dort seit Jahren eine große Rolle – ebenso wie alternative Antriebsformen. Zum Abschluss des Erfinderlabors hatten die Teilnehmer bei der GGEW AG die Chance, Elektromobilität hautnah in der alltäglichen Praxis zu erleben. "Als innovativer Energiedienstleister bringen wir die Elektromobilität in Südhessen mit aller Kraft voran", erklärte Vorstand Carsten Hoffmann in einer vom Journalisten Karl-Heinz Schlitt moderierten Talkrunde.
Auch Axel Noé (Leiter Unternehmenskommunikation bei der Sparkasse Bensheim) und der Bensheimer Bürgermeister Rolf Richter betonten die Notwendigkeit, jungen Leuten frühzeitig Perspektiven zu öffnen und sie so auf die komplexer werdenden Arbeitswelten von Morgen vorzubereiten. Die Vernetzung von Wirtschaft und Schule sei weiterhin eine zentrale Aufgabe der kommenden Jahre.
Die Jungforscher bestätigen das. "Gerade das praktische Arbeiten und eigenständige Forschen, das man in der Schule in dieser Tiefe nicht erlebt, haben mir besonders Spaß gemacht", meint Mark Baaske vom Burggymnasium Friedberg. Emma Mehl von der Anna-Schmidt Schule in Frankfurt war mit einer völlig anderen Vorstellung angereist: "Dass wir die Möglichkeit hatten, so viel selbstständig zu arbeiten, hatte ich nicht erwartet." Für Jonas Galka vom Georg-Büchner-Gymnasium in Bad Vilbel war es besonders interessant, mit Wissenschaftlern in Kontakt zu kommen, die an zukunftsorientierten Themen forschen. "Auch deshalb, weil ich später selbst in der Forschung tätig werden möchte."
Wasserstoff-Technologie live: Probesitzen in der Zukunft
Auf dem Schulgelände konnten sich die Gäste der Abschlussveranstaltung vom technologischen Fortschritt persönlich überzeugen. Das Busunternehmen Winzenhöler präsentierte einen modernen Brennstoffzellenbus, wie er im Industriepark Höchst bereits im Einsatz ist. Ein Forschungsprojekt mit Vorbildcharakter. Oliver Eich von der Hessischen LandesEnergieAgentur war mit einem Toyota Mirai der H2BZ-Initiative Hessen gekommen. Die erste Wasserstoff-Limousine in Großserie. Unter der Haube gab es modernste Brennstoffzellentechnologie zu sehen. Wasserstoff wird in elektrische Energie für den Motor umgewandelt. So fährt das Auto bis zu 500 Kilometer weit und lässt sich in nur drei Minuten auftanken. Aus dem Auspuff kommt nur etwas Wasser.
"Gerade im ÖPNV, dem Schwerlastverkehr und auf der Langstrecke hat die Brennstoffzelle gegenüber der Batterie deutliche Vorteile", so Prof. Dr. Birgit Scheppat. Sie betonte: Im globalen Wettbewerb der Zukunftstechnologien müsse Deutschland besser werden, um nicht den Anschluss zu verlieren. Die Jungforscher machten ihr Hoffnung: "Es war beeindruckend, wie sicher und visionär ihr hier aufgetreten seid." Als weiterer Experte war Dr. Justus Brans, Referent für Energiepolitik im Hessischen Wirtschaftsministerium, nach Bensheim gekommen: "Unterschiedliche Technologien werden sich am Markt bewähren müssen."
Auch die Schülerteams prognostizierten der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie eine wichtige Rolle bei der Energiewende. In ihren Präsentationen haben sie den Spagat zwischen wissenschaftlichen Inhalten und unterhaltsamem Infotainment gemeistert. Dafür gab es das Lob der Jury und den Applaus des Auditoriums. Axel Noé lobte die ausgezeichnete Teamarbeit und den Mut, sich Problemen zu stellen. Für Carsten Hoffmann (GGEW AG) war die Präsentation ein leidenschaftliches Plädoyer für die Energiewende: "Solche Leute brauchen wir!"
"Wie souverän werdet ihr erst in zehn Jahren sein!", urteilte Prof. Dr. Scheppat. Sie betonte das kreative Potenzial der Naturwissenschaften: Es gehe in erster Linie um die Freude am Forschen und die Lust am Experimentieren. „Das haben wir leider etwas vergessen, weil diese Themen immer zuerst in einem wirtschaftlichen Zusammenhang gesehen werden.“ Man müsse bei jungen Leuten die Neugier entfachen. Das Erfinderlabor gehe hier beispielhaft voran.
Das Zentrum für Chemie würdigte alle Teilnehmer mit Zertifikaten und Jahres-abonnements der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft. Darüber hinaus wurden vier Stipendien der Fraunhofer Gesellschaft ausgelost.
Das Erfinderlabor wird seit 2005 vom Zentrum für Chemie mit Sitz in Bensheim (Bergstraße) organisiert. Das Projekt greift Themengebiete auf, die im Unterricht nicht vorkommen oder nur partiell behandelt werden können. Mit seinen Veranstaltungen möchte das ZFC das Interesse und die Kreativität junger Menschen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften wecken und für aktuelle Themen nachhaltig begeistern. Die Zusammenarbeit mit Industrie- und Hochschulpartnern ermöglicht einen Zugang zu aktuellen Forschungsmethoden und vermittelt einen Eindruck von der interdisziplinären Ausrichtung und den verschiedenen Arbeitsgebieten im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.
Das Erfinderlabor ist Teil des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten ZFC-Projekts “Schule 3.0 – Energiewende in den Unterricht“, das der ZFC-Initiative "Schule 3.0 – Zukunftstechnologien in den Unterricht" angeschlossen ist. Dem gleichnamigen Schulnetzwerk gehören aktuell 13 hessische Schulen mit gymnasialer Oberstufe und die Deutsche Schule Seoul an. Das nächste Erfinderlabor findet im April in Darmstadt zum Thema Organische Elektronik statt.
Quelle: Zentrum für Chemie e.V.
Ein Video zum 24. Erfinderlabor finden Sie hier (YouTube).