28.01.2021

Klimaschutz im Luftverkehr: Hessen wird Technologie-Hub für alternative Kraftstoffe

Wiesbaden, den 27. Januar 2021 - Mitten in Deutschland und ganz in der Nähe des Frankfurter Flughafens entwickelt sich der Industriepark Höchst zum Innovationshub für CO2-neutrale, alternative Kraftstoffe.

„Nachdem wir vor einem Jahr das Kompetenzzentrum für Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr gegründet haben, hat sich nicht nur hier in Hessen, auch bundes- und europaweit sehr viel bewegt. Und es hat sich gezeigt, dass wir in Hessen einen Standortvorteil haben – mit dem Flughafen, mit der Logistikbranche und dem Industriepark Höchst“, sagte Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir heute bei der Vorstellung der geplanten Entwicklungen im Industriepark Höchst gemeinsam mit Infraserv Höchst und den Unternehmen INERATEC und CAPHENIA.

Die INERATEC GmbH plant, eine Power-to-Liquid Pionier-Anlage zu errichten, die ab 2022 bis zu 4,6 Mio. Liter/Jahr derartiger Kraftstoffe produzieren soll.  Das Unternehmen CAPHENIA entwickelt ein innovatives Power-and-Biogas-to-Liquid-Verfahren (PBtL) zur Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen und Grundchemikalien.

Bis zum Beginn der Corona-Pandemie sind die CO2-Emissionen im Luftverkehr stetig angestiegen. „Wir brauchen dringend CO2-Einsparungen im Verkehr, und gerade im Luftverkehr. Für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor müssen aber nicht nur Kurzstreckenflüge auf die Schiene verlagert und Flugzeuge spritsparender und effizienter werden. Wir brauchen auch CO2-neutrale Kraftstoffe, gerade an einem interkontinentalen Flughafen wie in Frankfurt“, sagte der Verkehrsminister. „Darum setzen wir bei dem Zukunftsthema Power-to-Liquid als Land Hessen vor allem auf synthetisches Kerosin.“

Land Hessen arbeitet bereits seit zwei Jahren am Thema
Bereits Ende 2018 wurde im hessischen Koalitionsvertrag vereinbart, den Bau einer Pilotanlage für synthetisches Kerosin voranzutreiben, um erste wichtige Erfahrungen für die Kraftstoffwende vor allem im Luftverkehr zu ermöglichen. Seitdem wird intensiv daran gearbeitet, nicht nur die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern auch die bundesweite Vernetzung bei dieser neuen Technologie voranzubringen und dabei für die guten Standortvoraussetzungen in Hessen zu werben.

„Anfang 2020 hat das Kompetenzzentrum Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr seine Arbeit aufgenommen. Und es gibt Unternehmen, die Projekte im Bereich alternative Kraftstoffe für den Verkehr im Industriepark Höchst entwickeln wollen“, sagte der Verkehrsminister. „Wir arbeiten proaktiv daran, dass diese Entwicklungen weiter ausgebaut werden und hier in Hessen ein Innovationshub für synthetisches Kerosin entsteht. Das unterstützen wir nicht nur mit Landesgeld, wir wollen darüber hinaus Mittel vom Bund einwerben. Denn wir versprechen uns nicht nur Synergien mit den bereits geplanten Vorhaben in Höchst, sondern auch ein deutliches Signal nach Berlin, wie attraktiv Hessen für Zukunftstechnologien ist.“

Hessen beteiligt sich an Roadmap „Power-to-Liquid“ des Bundes
Im Jahr 2020 hat das Thema eine starke Dynamik entwickelt. Die EU und die Bundesregierung arbeiten an regulatorischen Rahmenbedingungen. Der Bund hat zudem umfangreiche Fördermittel für alternative Kraftstoffe und die Herstellung von „grünem“ Wasserstoff als wichtiges Eingangsprodukt für „Power-to-Liquid“-Kraftstoffe im Bundeshaushalt verankert. Parallel wird von Bund, Wirtschaft und Ländern eine Roadmap „Power-to-Liquid“ erarbeitet, an der Hessen maßgeblich beteiligt ist. Das Land Hessen hat darüber hinaus das Ziel, ein Wasserstofftechnologie-Zentrum nach Hessen zu holen. Gemeinsam mit der Landesenergieagentur (LEA) sowie der Hessen Trade and Invest unterstützt das Verkehrsministerium die Bewerbung eines Konsortiums aus Industrie, Forschung und Wirtschaftsförderung für ein solches Zentrum am Standort Frankfurt-Höchst.

„Die Corona-Krise stellt den Luftverkehr vor enorme Herausforderungen. Der Einbruch der Passagierzahlen wirft den Frankfurter Flughafen um Jahre zurück. Mit unserem Engagement in CO2-neutrale Kraftstoffe denken wir an die Zeit nach der Coronapandemie. Menschen wollen wieder reisen. Aber die Klimakrise ist nicht in Quarantäne gegangen: Wir brauchen mehr Klimaschutz im Verkehr“, so Al-Wazir. „Während die CO2-Emissionen im Strombereich zurückgehen, bleiben sie im Verkehrssektor weiterhin hoch. Wo immer es geht, muss der Verkehr weniger und elektrischer werden. Bei Mittel- und Langstreckenflügen sowie Schiffstransporten ist eine Elektrifizierung absehbar nicht möglich. Darum freuen wir uns als Land Hessen sehr über so wegweisende Entwicklungen im Industriepark Höchst und Projekte wie die von INERATEC und CAPHENIA.“

„Der Industriepark Höchst ist ein hervorragender Standort für die Entwicklung nachhaltiger Technologien und bietet mit seiner Infrastruktur optimale Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen“, sagte Dr. Joachim Kreysing, Geschäftsführer von Infraserv Höchst. Die Betreibergesellschaft des 4,6 Quadratkilometer großen Industriestandorts im Westen von Frankfurt investiert schon seit vielen Jahren in nachhaltige Technologien. So konnte am Standort bereits im Jahr 2006 die erste öffentliche Wasserstoff-Tankstelle in Betrieb genommen werden, derzeit wird in Höchst die Infrastruktur für die Betankung von brennstoffzellen-betriebenen Zügen mit Wasserstoff geschaffen, und bis zum nächsten Jahr wird im Industriepark Höchst der Kohleausstieg vollzogen – Infraserv Höchst investiert derzeit rund 300 Millionen Euro in moderne Gasturbinenanlagen. Außerdem wird zum Beispiel gemeinsam mit INERATEC und weiteren europäischen Partnern im Rahmen des EU-Projekts „ICO2CHEM“ eine Forschungsanlage für die Umwandlung von CO2 in chemische Produkte betrieben.

„Für uns als Partner der chemischen Industrie haben Energieeffizienz und Klimaschutz einen sehr hohen Stellenwert“, betonte Dr. Kreysing. Das Unternehmen und der Standort bekennen sich zu den Zielen der Branche, die bis zum Jahr 2050 die „CO2-freie Chemie“ anstrebt. „Für eine erfolgreiche Dekarbonisierung sind Technologien wie Power-to-Gas und Power-to-Liquid von großer Bedeutung,“ so Dr. Kreysing.

Bernhard Dietrich, Leiter des CENA: „Um den Sustainable-Aviation-Fuels-Durchbruch zu ermöglichen, unterstützen wir technologische Entwicklungen, den Aufbau von vernetzten Infrastrukturen und die Schaffung von Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Markt.“

INERATEC wurde aus dem Karlsruhe Institute of Technology gegründet. Es entwickelt, baut und betreibt Anlagen, die in modularem Aufbau synthetische Kraftstoffe und Wachse mittels des Fischer-Tropsch Verfahrens herstellen. Es plant derzeit die weltweit größte Anlage für PtL im Industriepark Höchst in Frankfurt. Geschäftsführer Philipp Engelkamp: „Mit der INERATEC Power-to-Liquid Pionieranlage werden erstmals CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe verfügbar sein. Über einen modularen Ansatz werden wir die Produktionskapazitäten weltweit ausbauen.“

CAPHENIA entwickelt mit dem Power-and-Biogas-to-Liquid-Verfahren ein innovatives Verfahren zur Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen und Grundchemikalien. Als Ausgangsstoffe dienen Biomethan, CO2, Wasser sowie Strom aus erneuerbaren Energien. Die erste Pilotanlage für diese Technologie wird ebenfalls im Industriepark Höchst in Frankfurt entstehen. „Wir freuen uns sehr, diesen Meilenstein in der Entwicklung unserer hocheffizienten neuartigen Route zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen im Industriepark Höchst zu erreichen – in unmittelbarer Nähe zum Frankfurter Flughafen“, sagte der CAPHENIA-Geschäftsführer Dr. Mark Misselhorn anlässlich der gemeinsamen Vorstellung.

Das Kompetenzzentrum Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr (CENA) wurde 2020 vom Land Hessen initiiert und wird aus Landesmitteln gefördert. Es hat seinen Sitz im HOLM und ist bei der landeseigenen Hessen Trade and Invest GmbH angesiedelt. Ein Schwerpunkt liegt auf der proaktiven Entwicklung der Etablierung einer Kraftstoffwende im Luftverkehr mit dem Ziel, zu einer größeren Klimafreundlichkeit und damit Zukunftsfähigkeit des Luftverkehrsstandorts Hessen und der hier beheimateten Luftverkehrsunternehmen beizutragen.

Infraserv Höchst ist bei der Entwicklung von Forschungs- und Produktionsstandorten der führende Partner für Chemie- und Pharmaunternehmen und bietet individuelle, modulare Lösungen sowie innovative, integrierte Leistungsbündel bis hin zum kompletten Standortbetrieb. Die Leistungsfelder des Unternehmens umfassen die Versorgung mit Energien, Entsorgungsleistungen, den Betrieb von Netzen, Standortservices, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie den Umweltschutz und Facility Management. Mit den Tochtergesellschaften deckt die Infraserv Höchst-Gruppe auch die Leistungsfelder Logistik, Bildung und Prozesstechnik ab. Die Infraserv GmbH & Co. Höchst KG beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter und 156 Auszubildende. Zur Infraserv-Höchst-Gruppe gehören rund 2.700 Mitarbeiter und 193 Auszubildende. Im Jahr 2019 erzielte Infraserv Höchst inklusive der Tochtergesellschaften einen Umsatz von mehr als 1 Milliarde Euro. Infraserv Höchst ist Betreiber des 460 Hektar großen Industrieparks Höchst, Standort für rund 90 Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Biotechnologie, Basis- und Spezialitäten-Chemie, Pflanzenschutz, Lebensmittelzusatzstoffe und Dienstleistungen, die rund 22.000 Menschen beschäftigen. Die Summe der Investitionen seit dem Jahr 2000 beträgt ca. 8 Milliarden Euro.

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